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Vergessenes vom Geburtstag

24.05.2024
Zwei Tage liegt er zurück, der 75. Geburtstag der Bundesrepublik. Eher still gründete sich der deutsche Nachkriegsstaat in der Provinzstadt am Rhein. Die erste Bundeshauptstadt, Bonn, ist für viele heute eine Randerscheinung wie der Geburtstag der Republik am 23. Mai….

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Süderländer Tageblatt,
Ausgabe 25. Mai 2024

Vergessenes vom Geburtstag

Leuchtturmworte

VON UWE BRÜHL

Zwei Tage liegt er zurück, der 75. Geburtstag der Bundesrepublik. Eher still gründete sich der deutsche Nachkriegsstaat in der Provinzstadt am Rhein. Die erste Bundeshauptstadt, Bonn, ist für viele heute eine Randerscheinung wie der Geburtstag der Republik am 23. Mai. Alles begann an diesem Tag mit der – immer noch provisorischen – Verfassung unseres Landes, dem Grundgesetz.

Einer Überschrift gleich trägt es seinen Grundgedanken vor sich her: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ In einem Land, in dem nur vier Jahre zuvor noch die Würde der meisten Menschen mit Füßen getreten, mit Folter gequält und mit unsäglicher Gewalt vernichtet wurde, beschreibt dieser Artikel 1 des Grundgesetzes eine Zeitenwende. Nein, damit war nicht alles gut im neuen Staat. Der braune Sumpf der ehemals Mächtigen knüpfte noch viel zu lange sein altes Beziehungsgeflecht. Menschenverachtende Straftaten der Vergangenheit vertuschte oder banalisierte man, bis die Opfer verstorben oder die Strafen verjährt waren.

Der Ungeist, Menschen ihre Würde abzusprechen, zieht sich bis heute durch unsere Gesellschaft. Der Menschenwürde eine Gestalt zu geben und die Freiheit zu schützen, bleibt eine Daueraufgabe für Sie und mich.

Auch dem Gründungstag der Bundesrepublik war ein Bibelvers aus dem alten Testament zugelost. Diese sogenannte Losung gibt es seit nahezu 300 Jahren. Es ist ein Geschenk der Herrnhuter Gemeinde nicht nur an Christinnen und Christen. Der Nachdenksatz für den 23. Mai 1949 stand im Buch des Propheten Amos, Kapitel 3: Suchet den Herrn, so werdet ihr leben.

Der Prophet Amos wettert vor 2800 Jahren massiv gegen egoistisches, selbstgerechtes und selbstgenügsames Leben seiner Zeitgenossen. Für ihn ist klar: Wer Gott sucht, steht nicht mehr in der Gefahr, sich selbst zum Maßstab zu erheben. Dieser Hinweis gilt zuerst den Gläubigen aller Zeiten. Aber natürlich hilft er auch allen anderen Menschen zu einem klaren Blick auf sich selbst.

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben uns mit dem 1. Artikel an diese längst veränderte Sicht auf alle Menschen erinnert und jeder Selbstgerechtigkeit und -genügsamkeit eine Absage erteilt.