2. Sonntag nach Epiphanias – Nüchterne Barmherzigkeit
17.01.2021
Nun ist die Hälfte des Monats Januar schon wieder überschritten. Weihnachten ist vorbei mit all den Ereignissen, die in der Bibel in großer Dichte beschrieben werden. Da ist das Wunder der Heiligen Nacht: Der Messias Israels und der Retter der Welt wird geboren. Gott wird Mensch. Und das nicht ganz oben, bei den oberen Zehntausend. Gott wird Mensch ganz unten ausgegrenzt in einer Krippe im Stall… Hier anschauen …ggggg
Nüchterne Barmherzigkeit
Andere Gedanken zu Römer 12, 1-3.
Von Dirk Gogarn
Der Predigttext für den 1.Sonntag nach dem Epiphaniasfest steht im Römerbrief im 12.Kapitel in den Versen 1-8. Der Apostel Paulus schreibt an die christliche Gemeinde in Rom: Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das ist euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch die Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich´s gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jedem zugeteilt hat das Maß des Glaubens. Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied. Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er. Hat jemand die Gabe zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude. (Lutherrevision 2017)
Zeig uns dein königliches Walten. Bring Angst und Zweifel selbst zur Ruh. Du wirst allein ganz Recht behalten: Herr, mach uns still und rede du. Amen.
Liebe Gemeinde,
„jetzt haben Sie aber bald wieder viel zu tun“, so sagten mir das schon – halb bedauernd, halb bewundernd – unzählige Menschen in der Adventszeit. Kommentiert habe ich das nie. Gedacht habe ich aber, wenn die mal wüssten… Als ob ein Pastor sonst nichts zu tun hätte. Auch der Januar hat seine Gottesdienste und Beerdigungen, das Frühjahr seine Konfirmation und der Mai seine Hochzeiten. Im November ist intensives Gedenken an die Verstorbenen angesagt. Und überhaupt: Menschen, die ein offenes Ohr oder ein tröstliches Wort brauchen, gibt es eigentlich immer.
Nun ist die Hälfte des Monats Januar schon wieder überschritten. Weihnachten ist vorbei mit all den Ereignissen, die in der Bibel in großer Dichte beschrieben werden. Da ist das Wunder der Heiligen Nacht: Der Messias Israels und der Retter der Welt wird geboren. Gott wird Mensch. Und das nicht ganz oben, bei den oberen Zehntausend. Gott wird Mensch ganz unten ausgegrenzt in einer Krippe im Stall. Geboren auf hartem Holz macht dieser Mensch sich auf seinen Weg zum harten Holz am Kreuz. Engel singen, Hirten erkennen es und beten es an. Hirten kehren wieder zurück zu ihrer Arbeit auf dem Felde. Sie verrichten ihr Alltagsgeschäft. Die weihnachtliche Familie bleibt in der Realität der Welt. Kindermord des Herodes und Flucht nach Ägypten stehen auf dem Programm. Vorher haben sich die drei Weisen aus dem Morgenland auf den Weg zum Kind bringen lassen. Sie haben das Kind angebetet und ihm Geschenke gebracht. Überhaupt stehen sie für die große weite Welt. Sie kommen von fern, wohl aus dem Land zwischen Euphrat und Tigris, damals ein Schmelztiegel von Gelehrsamkeit und Weltkultur. Sie kehren wieder zurück und bringen die frohe Botschaft aus dem abseitigen Bethlehem in die große weite Welt hinein. In der Kunst werden sie dargestellt als Menschen unterschiedlicher Hautfarbe oder auch schon einmal als Männer unterschiedlicher Generationen. Christliche Botschaft richtet sich an alle Welt und an alle Menschen. Genau dieses Motiv nimmt Paulus etwa eine Generation später auf. Im Mittelmeerraum, seiner Heimat, gründet er mit Erfolg christliche Gemeinden. Auch andere waren in dieser Zeit dort schon mit der christlichen Botschaft unterwegs. Ganz gewiss auch Leute aus dem engsten Kreis um Jesus herum, aus dem Kreis der Apostel. Manchmal wurden sie ähnlich wie Paulus verschmäht und verworfen. Insgesamt hatten sie aber erstaunliche Erfolge. Wer hätte das gedacht als er gut zwanzig Jahre zuvor unter dem Kreuz Jesu stand und davon ausgehen musste, dass nun alles aus sei mit der frohen Botschaft, die mit dem Wunder der Weihnacht begonnen hatte. Die Gemeinde in Rom hatte Paulus nicht selbst gegründet. Auch hier waren schon andere vor ihm mit Erfolg tätig gewesen.
Worauf gründen sich diese frühen Erfolge des Christentums? Eine Götter und Götzen reiche Welt war wohl reif für den Glauben an den einen Gott; einem Gott, von dem man Orientierung bekommen kann in einer Welt mit ihren recht bunten Vorstellungen und Einstellungen. Die Welt war reif für einen Gott, der in seiner Menschwerdung den Menschen wirklich nahekommt und sich allen Realitäten des Lebens stellt. Und die Welt war reif geworden für einen Gott, der Hoffnung gibt an dem Punkt, wo wir denken, dass alles endet. Das ist das eine, dass die christliche Botschaft den richtigen Zeitpunkt erwischt hat. Das andere ist, dass wohl meistens auch die richtigen Leute mit dieser Botschaft in dieser Zeit unterwegs waren. Menschen, die entweder Jesus noch selbst begegneten oder Menschen, denen man ihre tiefe Überzeugung abnahm. Menschen, die anderen Menschen authentisch und empathisch begegneten. Menschen, bei denen Glauben und Leben eine Einheit bildeten. Menschen, die auch dafür bereit waren, einen Preis für ihre Überzeugungen zu bezahlen. Nach christlicher Überlieferung endet der Lebensweg von Petrus und von Paulus im Märtyrertod vor den Toren Roms.
Paulus begegnet uns in unseren Zeilen an die christliche Gemeinde in Rom recht nüchtern. Christen werden hier in den Alltag des Lebens hineingestellt. Das Leben des Christen sei ein vernünftiger Gottesdienst. Dem ganzen Leben soll man das christliche Bekenntnis und den christlichen Standpunkt abspüren können. Und das nicht euphorisch und enthusiastisch, sondern in großer Nüchternheit. Wo dann Christen den Problemen der Welt zugewandt sind, ohne in abgehobene Starallüren zu verfallen, wo Christen geerdet und bodenständig bleiben. In unseren Zeilen des Apostel Paulus kommt am Anfang und am Ende der Begriff „Barmherzigkeit“ vor. In der Jahreslosung für das immer noch neue Jahr 2021 begegnet uns ein Wort Jesu aus dem Lukasevangelium (6,36): „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Da auch Jesus in seiner großen Programmrede am Anfang seiner Wirksamkeit, der Bergpredigt (Matthäus 5-7), die Barmherzigkeit als ein Hauptmotiv des Handelns nennt, haben wir es hier mit einem zentralen Bestandteil der Verkündigung Jesu zu tun. Und Paulus ist barmherzig gegenüber der christlichen Gemeinde in Rom, die er wohl bald bei einem Besuch kennenlernen möchte. Es gibt unterschiedliche Gaben in der Gemeinde. Ein jeder, eine jede kann sich mit seinen, mit ihren Gaben einbringen. Und dann ist gut so, dann dient das der Erbauung der Gemeinde, dann ist das ein vernünftiger Gottesdienst. Ein Gottesdienst, der nicht isoliert bleibt im christlichen Kämmerlein oder in binnengemeindlicher Struktur, sondern eine öffentliche Angelegenheit ist, wo sich Christen untereinander, aber auch anderen Menschen in Barmherzigkeit begegnen. Barmherzigkeit beinhaltet ein weites Herz für so unterschiedliche Menschen, wie wir sie vorfinden und für die Welt in ihren Nöten. Tätiges Christentum kann sich da auch je nach Gabe und Begabung anderswo einbringen im Gemeinwesen, um Gott zu dienen und den Menschen zu helfen zu einem besseren Leben zu gelangen. Da haben wir dann wirklich viel zu tun. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
Guter Gott,
da du ein weites Herz für uns hast,
können auch wir ein weites Herz für unsere Mitmenschen haben.
Unter Menschen, da sind wir mittendrin,
da wo eine jede und ein jeder ein gleich geachtetes
und wertgeschätztes Geschöpf Gottes ist.
Zeige uns auch in diesem Jahr unseren Ort in Gemeinde und Welt.
Beschütze und bewahre uns in dieser schweren Zeit.
Amen.