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5. Sonntag der Passionszeit – Krise und Gottvertrauen

21.03.2021
nun leben wir schon seit einem Jahr unter der Pandemie. Verzicht und Entbehrungen an Liebgewonnenem sind uns auferlegt. Wir alle sind in unserer Freiheit eingeschränkt und leiden mehr oder weniger an dieser Situation. Einige sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Andere leiden mehr unter sozialen Beschränkungen und Isolation. Menschen verlieren ihre Gesundheit und/ oder ihr Leben. Alle haben wir in den vergangenen zwölf Monaten Punkte gefunden, wo wir Kritik äußern könnten… Hier anschauen …ggggg

Krise und Gottvertrauen

Gedanken zu Hiob 19, 19-27
von Dirk Gogarn

Gottes Gnade sei mit euch und der Friede unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Amen.

Im Buch Hiob lesen wir im 19.Kapitel in den Versen 19-27 (Lutherrevision 1984.
Alle Bibelzitate werden daher in alter Rechtschreibung gehalten.):

Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt. Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und nur das nackte Leben brachte ich davon. Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen! Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch?

Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel in Blei geschrieben, zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen! Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der letzte wird er sich über den Staub erheben. Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.

Gott zu dir kommen wir
in Lob und Dank, in Not und Klage.
Alles, was uns bewegt, können wir vor dich hinbringen.
Lass uns das auch wirklich tun.
Begleite du uns in Freud und Leid.
Schenke uns deine Nähe.
Und schenke du uns die Nähe unserer Mitmenschen,
deren Reden und deren Schweigen.
So lass uns das aushalten, was du uns auferlegt hast.
Höre unser Rufen und unsere Stimmen,
die in deinem Sohn menschlich/mitmenschlich werden.
Amen.

Liebe Gemeinde,
nun leben wir schon seit einem Jahr unter der Pandemie. Verzicht und Entbehrungen an Liebgewonnenem sind uns auferlegt. Wir alle sind in unserer Freiheit eingeschränkt und leiden mehr oder weniger an dieser Situation. Einige sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Andere leiden mehr unter sozialen Beschränkungen und Isolation. Menschen verlieren ihre Gesundheit und/ oder ihr Leben. Alle haben wir in den vergangenen zwölf Monaten Punkte gefunden, wo wir Kritik äußern könnten. Kritik, die manchmal berechtigt ist, weil wir uns alle in einer neuen Situation befinden, für die von vornherein niemand Patentrezepte des Umgangs und der Bewältigung hatte.

Hiob erlebt für sich persönlich wohl im 4. bzw. 3. Jahrhundert vor Christi Geburt auch eine Extremsituation. In einer Zeit, die durchaus auch von Krisen geschüttelt war, ist es Hiob bisher eigentlich ganz gut gegangen. Er war ein rechtschaffender Mann gewesen, der es mit seiner Familie zu Wohlstand gebracht hat. Eine gute Konstitution und Gesundheit waren ihm geschenkt gewesen. Seine Frau war tüchtig. Und die Kinder waren alle wohlgeraten. Da kann man nicht klagen.

Und Hiob dankte auch seinem Gott dafür. Er hielt sich zu Gott. In unserer heutigen Situation wäre Hiob ein Mann, der an Kirchenaustritt nicht denkt und der auch mehr oder weniger den Gottesdienst besucht, und sei es an Weihnachten oder wenn ihm ansonsten danach ist. Hiob ist ein Mensch, der für die vielen Menschen steht, die eigentlich nichts falsch gemacht haben.

Und dann kommt es völlig unvermittelt zur großen Krise. Hiob verliert alles, was er hat. Hiob verliert seine Familie, seinen Besitz und seine Gesundheit. Unser beliebter Spruch „Hauptsache gesund“ würde nun in seinen Ohren wahrscheinlich wie Hohn und Spott klingen. Nachdem Hiob alles verloren hat, behält er aber auch etwas. Er behält seine drei guten Freunde: Elifas, Bildad und Zofar. Männer, die sich trotz räumlicher Trennung nahe waren. Männer, die jetzt kommen, um ihn zu besuchen. Und Hiob behält seinen Glauben an Gott. In all seinem Leid hält er an Gott fest. Er klagt Gott sein Leid. Die Freunde sind wirklich hilfreich solange sie ihm nahe sind und es schweigend mit ihm aushalten. Als sie das Wort ergreifen, da wird es sehr problematisch. In immer neuen Anläufen suchen sie nach Gründen für das Leid des Hiob. Sie vertreten die feste Überzeugung, dass jede Ursache auch einen Grund haben müsse. Mit dieser Argumentation laufen sie aber vor die Wand und quälen den gebeutelten Hiob nur noch mehr. Objektiv gesehen gibt es keinen Grund für das Leid des Hiob. Alles bleibt an dieser Stelle reine Spekulation. Tröstlich ist es da einzig für den gebrochenen Hiob, dass er vor seinen Gott treten kann: Früher in Lob und Dank, nun in Lob und Klage. Hiob lässt nicht ab von seinem Gott, obwohl es ihm nun ganz schlecht geht. Einzig das „nackte Leben“ ist ihm geblieben.

Kritik wurde geäußert am vermeintlichen Nichtstun der Kirche während der Pandemie. Ich fand es gut, dass gerade nicht vorschnelle und zu kurz greifende Erklärungsmuster gesucht wurden. Die Freunde Hiobs haben sich an diesem Punkt als „falsche Freunde“ erwiesen. Stark waren sie als „echte Freunde“ in dem Augenblick, wo sie seine schlimme Situation schweigend mit ihm aushielten. Sie kamen und waren da. Besser wäre es gewesen, wenn es dabei geblieben wäre.

Faszinierend ist für mich das Bekenntnis des leidenden Hiobs, wo er spricht: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“. „Zuletzt wird er über den Staub sich erheben“. In seiner Schwäche ist Hiob an dieser Stelle ganz stark. Hiob verbindet mit seinem Bekenntnis die Hoffnung, dass Gott alles zum Guten wenden kann. Und Hiobs Hoffnung ist nicht vergeblich. Der Ausgang der Hiobsgeschichte ist gut: Gutes Ende am Schluss, Happy End. Hiob erlebt das Wunder neuen Lebens. Guter Ausgang unserer Geschichte. Hiob wird gesund, bekommt neuen Besitz und lebt in glücklicher Familie. Sein Lebensglück stellt sich wieder ein. Und ganz am Ende heißt es dann (Hiob 42,17): „Und Hiob starb alt und lebenssatt.“

Nicht immer gehen schwierige Geschichten so gut aus, wie die des Hiob. Menschen sterben an Krankheit, Hunger, Gewalt und Krieg oder an Seuchen. Diese Realität der Welt nimmt das Neue Testament gerade in der Leidensgeschichte Jesu auf. Aber auch hier behält am Ende Gottes Sieg über das Leid die Oberhand. Neues Leben kann in dem Vertrauen entstehen, dass Gott alles Leid zu wenden vermag. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“. Diesen Spitzensatz aus dem Munde des leidenden Hiob nimmt der Komponist Georg Friedrich Händel (1695-1759) in seinem wunderbaren Oratorium Messiah auf. Er brachte es 1742 in Dublin zugunsten von Schuldgefangenen und Armenhäusern zur Uraufführung. Dieses hoffnungsfrohe Musikstück verbindet sich mit tätigem Christentum. Später führte es Händel einmal jährlich zugunsten eines Londoner Krankenhauses auf. Bei mir verbindet sich das mit den Posaunenklängen im ersten Lockdown an Ostern 2020 vor dem Lüdenscheider Krankenhaus und anderswo. Menschen haben Musik. Sie singen und musizieren und schöpfen damit Hoffnung. In der Zeit nach der Pandemie möge das wieder ungezwungener gelingen können. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“. „Liveth, Liveth, Liveth“. Mit dieser großartigen Überzeugung singt eine weibliche Sopranstimme diese Arie in Händels Oratorium Messiah. Diese Arie mag den Grundton für die Hoffnung meines Lebens darstellen. „Liveth, Liveth, Liveth“. Mein Erlöser lebt. Dies ist die österliche Kampfansage gegen den Tod und alle todbringenden Mächte. Er steht hoch über allem Staub der Welt. Über Staub und Schmerz erhebt er mich. Frei macht er mich dazu, der leidenden und geschundenen Kreatur beizustehen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft
bewahre unsere Herzen und Sinne  in Christus Jesus unserem Herrn.
Amen.

1. Ich weiß, woran ich glaube, ich weiß, was fest besteht, wenn alles hier im Staube wie Sand und Staub verweht; ich weiß, was ewig bleibet, wo alles wankt und fällt, wo Wahn die Weisen treibet und Trug die Klugen prellt.
2. Ich weiß, was ewig dauert, ich weiß, was nimmer lässt; mit Diamanten mauert mir´s Gott im Herzen fest. Die Steine sind die Worte, die Worte hell und rein, wodurch die schwächsten Orte gar feste können sein.
4. Das ist das Licht der Höhe, das ist der Jesus Christ, der Fels, auf dem ich stehe, der diamanten ist, der nimmermehr kann wanken, der Heiland und der Hort, die Leuchte der Gedanken, die leuchten hier und dort.
Evangelisches Gesangbuch Nr. 357. Text: Ernst Moritz Arndt 1819. Melodie: Heinrich Schütz 1628/1661 (zu Psalm 138)