Kirchengemeinde

(K)ein Ort zum Trauern

Das Bild spricht Bände: Erscheint das Grab noch irgendwie gepflegt, lädt …ggggg

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Auf der Suche nach einer neuen Trauerkultur

Das Bild spricht Bände: Erscheint das Grab noch irgendwie gepflegt, lädt das Umfeld nicht mehr zum Verweilen ein. Auch der Stuhl erweckt eher den Eindruck, als habe den irgendwer irgendwann einmal vergessen.
Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die Bestattungskultur. Zählte eine Urnenbestattung noch vor zehn Jahren zu den Ausnahmen, ist sie heute bei jedem zweiten Sterbefall zur Regel geworden.

Ähnlich dramatisch änderte sich die Grabwahl: Mehr und mehr setzt sich das anonyme Grab bzw. das Gemeinschaftsgrab durch. Der Unterschied zwischen beiden ist einfach aber markant: ein anonymes Gräberfeld lässt jeden Hinweis auf die dort Bestatteten fehlen. Zu Gemeinschaftsgräbern gehört, dass die Beigesetzten namentlich genannt werden.
Auf kirchlichen Friedhöfen finden sich nur Gemeinschaftsgräber, denn vor Gott und den Menschen ist jeder Mensch einmalig und unverwechselbar – auch durch seinen Namen.
In jedem Fall aber gilt: auf der grünen Wiese gibt es sowohl Urnen- als auch als Sarggräber.
Und unsere Trauerkultur? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass vor allem die ältere Generation die Veränderungen herbeiführt. In einer Art Vorweggehorsam bestimmen die Senioren Trauerandachts– und Bestattungsform für den Fall der Fälle.
Zweifellos sind sie dabei geprägt durch eigene Erfahrungen. Häufig haben sie selbst über viele Jahre Gräber gepflegt und die Pflege schließlich als Last empfunden. Die Ruhezeiten auf heimischen Friedhöfen sind mit 30 Jahren sehr lang. (Sie richten sich übrigens nach der Bodenbeschaffenheit und werden behördlicherseits festgelegt.)
Solch einen Pflegemarathon möchte man den eigenen Kindern, erst recht weiteren Angehörigen ersparen. Außerdem erschaudern viele bei dem Gedanken, ihr eigenes Grab könnte ungepflegter Schandfleck eines Friedhofs werden. Also äußern sie den Wunsch nach einer Feuerbestattung und Beisetzung auf der grünen Wiese, pflegefrei.
Gut, wenn man vorher miteinander auch über dieses Thema gesprochen hat. Leider geschieht das nicht immer und es geschieht nicht immer zweifelfrei. Manchmal erfahre ich bei Trauerbesuchen, wie schwer sich Hinterbliebene mit den Wünschen ihrer verstorbenen Angehörigen tun. Ohne weiteres sollen sie jedenfalls nicht unter der Wiese verschwinden.
Also erzählt jedes Gemeinschaftsfeld, jede anonyme Grabanlage auch davon, dass Menschen einen Ort für ihre Trauer brauchen und suchen. Immer wieder liegen Blumen nämlich auf den Gräbern und nicht an den dafür vorgesehenen Stellen. Immer wieder erzählen mir Angehörige und Bekannte, wie sie sich den Bestattungsort Verwandter oder lieber Freunde auf der Wiese merken: „Am dritten Stein drei Schritte nach links und dann im neunzig Grad Winkel vier Schritte nach rechts…“

Solche Äußerungen sprechen Bände: mögen sich Bestattungsformen nachvollziehbar ändern, Formen der Trauer änder sich nicht so schnell. Nicht nur darum wäre es gut, wir wüssten um den letzten Willen lieber Menschen, weil wir uns darüber austauschten.
Dazu gehört auch, dass wir nicht verschweigen, warum Abschied und Gemeinschaft zusammen gehören: Trauergäste ehren durch ihre bloße Anwesenheit liebe Verstorbenen. Leid kann erst gemeinsam getragen werden, wenn es geteilt wird! Und ein Grab, ja ein Friedhof ist wichtiger Ort nicht nur für trauernde Angehörige.

Uwe Brühl
Gemeindebrief „an lenne und else“, 12.2009